Hamme 300

Wintersport geht auch auf der Hamme

Wie ein sonniger Januarsonntag uns vom Sofa lockte. Nach einer gefühlten Ewigkeit mit Sturm, Regen- und Schneeregen kam am Sonntagvormittag plötzlich die Sonne durch. In der Nacht hatte es leicht geschneit und am Morgen herrschten Temperaturen um den Gefrierpunkt. Ideale Bedingungen, um der Hamme einen Besuch abzustatten.     

Gesagt, getan. Paddelsachen ins Auto geworfen, Boote aus dem Winterschlaf geholt und rauf aufs Dach und schon ging es los. Vorbei an kopfschüttelnden Passanten und Autofahrern.

Am Anleger hinter der Ritterhuder Schleuse war bereits reger Betrieb! Drei junge Männer waren dabei, sich bis auf die Badehose auszuziehen um dann nacheinander ins eiskalte Wasser zu gleiten. Vorbeikommende Fußgänger zückten sogleich das Handy, um diese Szene festzuhalten. Auf die Frage, ob sie das öfter machen, antwortete ein Bademeister flapsig, dass er normalerweise immer bis zum nächsten Tag im Wasser bleibe.

Während wir unsere Boote fertig machten und in die Trockenanzüge stiegen, kam ein weiterer Paddler des benachbarten Kanuvereins mit seinem Boot angeschoben. Er musste auf dem Anleger sehr vorsichtig sein, da dieser durch das Wasser der Badenden mittlerweile eine glatte Eisschicht aufwies.

Beim Ablegen sahen wir noch einen Wassersportler mit Boot auf dem Dach ankommen. Was war das für eine Konstruktion? Für ein Kajak war es etwas zu groß. Lange sollten wir nicht auf die Lösung des Rätsels warten müssen.

Nachdem mit klammen Fingern die steifen Spritzdecken geschlossen waren und die Hände in den Paddelpfötchen gefälligst wieder warm werden sollten, starteten wir Richtung Tietjens Hütte. Den kräftigen Nordostwind merkten wir erst hier auf dem Fluss. Genau von vorne blies er uns eiskalt ins Gesicht. Doch die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel und versöhnte uns mit Ihrem hellen Licht. Wie lange hatten wir das nicht mehr genießen können?

 

Kurz nach dem Start

Nach kurzer Zeit überholte uns ein Einerruderer. Jetzt erkannten wir das Boot vom Autodach wieder. Ein ca. 4 Meter langes und rund 1 Meter breites Boot mit dennoch schnittiger Form. Kurze Begrüßungen wechselten von Boot zu Boot. Der Ruderer ist wohl öfter hier unterwegs. Heute jedoch beklagte er das hohe Bootsaufkommen :)

Trotzdem teilten wir alle drei die Einschätzung, dass man heute genau das Richtige tat.

Ein Fasan flatterte vom rechten zum linken Ufer hinüber. Ich war besorgt, ob er es überhaupt bis an andere Ufer schafft, so schwerfällig wirkte sein Flug.

Sabine fiel auf, dass heute wesentlich mehr Vögel in der Luft waren als an einem Sommertag. Kleine Enten flogen in mehreren Schwärmen über unsere Köpfe. Eine Gruppe Kraniche kam trompetend heran und mehrere Reiher standen auf den überfluteten Wiesen.

Apropos Wiesen: durch den extrem hohen Wasserstand konnten wir hervorragend über die angrenzenden Uferbereiche gucken. Viele der Wiesen waren überschwemmt. Der Hafenkanal nach Osterholz-Scharmbeck war nur noch durch einen schmalen Streifen von der sich linksseitig anschließenden „Seenplatte“ getrennt. Bei Tietjens Hütte konnte man fast an der Terrasse anlegen.

 

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Hafenkanal nach Osterholz-Scharmbeck und Tietjens Hütte

Am Anleger des RV OSch machten wir eine kurze Pause und genossen die Sonne im Windschatten. Zum Aussteigen war uns nicht zumute. Zu schnell wären wir hier ausgekühlt. Der heiße Tee und unser Mittagsbrot schmeckten auch im Kajak. So gestärkt warfen wir noch einen kurzen Blick unter der Straßenbrücke hindurch auf den im Winter gesperrten Teil der Hamme. Ab nun freuten wir uns auf den Schiebewind, der uns zurück nach Ritterhude bringen sollte.

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Pause

Nun, auf dem Rückweg, sah die überschwemmte Landschaft noch imposanter aus. Das Sonnenlicht, jetzt von links vorne blendete uns aber zeitweilig sehr stark. An Sonnenbrillen hatten wir nicht gedacht; es war ja Winter.

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Vom Hochwasser überschwemmte Wiesen an der Hamme

Hatten wir für den Hinweg gegen den heftigen Wind etwas über eine Stunde gebraucht, so sausten wir in gerade mal 45 Minuten wieder zurück zum Ziel. Spätestens an der Wegebrücke wurde uns auch der Grund unseres Tempos klar: neben dem Wind zog nun auch die Strömung kräftig an den Brückenpfeilern vorbei Richtung Schleuse. Jetzt erinnerten wir uns, dass bei unserer Ankunft auf beiden Seiten des Wehres der gleiche Wasserstand herrschte. Mittlerweile hatte also die Ebbe in der unteren Hamme eingesetzt und es wurde offenbar Wasser abgelassen.

Noch eine Kurve hinter dem Gelände des ESV und wir sahen uns bestätigt: sowohl die Schleusentore als auch alle Wehröffnungen waren hochgezogen und das Wasser lief mächtig Richtung Lesum.

Kurz nach uns erreichte auch der Paddelkamerad aus Ritterhude den Anleger. Wo war er gewesen? Wir hatten ihn aus den Augen verloren. Wir tauschten noch kurz unsere heutigen Erfahrungen auf dem Wasser aus und jeder machte sich daran, möglichst schnell ins Warme zu kommen.

Kaum waren unsere Boote auf dem Dach festgezurrt, erschien auch der Sportler der Rückwärtsfahrerfraktion wieder am Anleger. Schnell halfen wir ihm beim Hochtragen und Verladen seines Bootes. Dankbar nahm er die Hilfe an und auch mit ihm teilten wir noch kurz unsere Erlebnisse dieses kalten aber schönen Wintervergnügens.

Dass später die Kunden im Kaffee etwas merkwürdig guckten, als wir in Trockenanzug, Neoprenschuhen und Pudelmütze am Tresen standen, störte uns überhaupt nicht. Zwei leckere Stücke Apfelkuchen hatten wir uns wirklich verdient.

Zuhause wartete dazu ein heißer Tee und ein ebensolches Fußbad.

Januar 2024            Andreas Matzner